June 21, 2024

Orchestra Goes Movie

Beim diesjährigen Konzertmarathon dreht sich alles um Film und Fernsehen - inklusive eines Stargastes

"It's just to tell a story" 

Verdunkelter Saal, Nebel, ein grüner Schimmer. Dieses Bild bietet sich dem Publikum zu Beginn des Konzerts. Die Streicher stoßen die ersten Töne an und es ertönt ein zarter Klangteppich, welcher durch fast schon sphärischen Gesang von Carola Sieben begeitet wird. Das Stück Riverdance aus dem gleichnamigen weltbekannten Bühnenprogramm von Bill Whelan gewinnt rasant an Fahrt und entführt das Publikum im Alten Speicher in die bergig grüne Landschaft Irlands. Der Anfang ist gemacht. Welche Geschichten kann das Orchester noch erzählen? Welche Geschichten erzählt die Musik?

Unter großem Applaus betritt Philipp Gassert die Bühne und begrüßt das Publikum. Er setzt den Ton für den Abend und stellt einen Querschnitt durch die Filmmusik bekannter - aber auch unbekannter - Filme in Aussicht. Den Anfang macht Wizard Wheezes (Nicolas Hooper) aus dem sechsten Teil von Harry Potter. Das fetzige Stück im BigBand Stil der 60er Jahre bietet die Möglichkeit für Christina Görisch (Klarinette), Sebastian Peschel (Schlagzeug) und Timotheus Lass (Klavier) mit Instruemntalsoli zu glänzen.

Aus der Welt der Magie geht es zurück in die Kindheit vieler im Saal - zur Geschichte der Marionette Pinocchio, die es nach langem Hadern endlich schafft die Schnüre abzulegen und selbstbestimmt Abenteuer zu erleben. Im Stück I've got no Strings (Dickie Jones) aus dem Disney Klassiker von 1940 erzählt die junge Sängerin Stella Wolf eben genau diese Geschichte. Ebenfalls aus dem Disney Universum, allerdings aus einer komplett anderen Zeit, stammt der Soundtrack zum Film Arielle. Das GJO spielt die Nummer Under the Sea von Alan Menken. Ein besonderer Hingucker war die für den Latin-Sound typische, in unseren Breiten jedoch wenig bekannte Steeldrum, gespielt von Johannes Schackow, der zum Abschluss seiner Performance ebenfalls unters Wasser gerät. Das Dreigespann an Disneyfilmen wird durch den Soundtrack zur zeitgenössichen Bearbeitung von "Rapunzel - Neu Verföhnt" abgerundet. Matthias Reinelt und Larissa Senior singen begleitet vom GJO und Judith Galster (Flöte) das herzerwärmende Duett I See the Light von Mandy Moore & Zachary Levi.

Nach diesen verspielten Nummern, die besonders beim jüngeren Publikum auf große Begeisterung stoßen, wandelt sich das Tehmengebiet der Filme deutlich. An die Stelle von singenden Hummern, Meerjungfrauen und Marionetten treten bewaffnete Cowboys im Duell. Der Soundtrack zum Filmklassiker "Once Upon a Time in the West" (dt.: "Spiel mir das Lied vom Tod") aus dem Jahr 1968 lässt niemandem im Publikum unberührt. Der Komponist Ennio Morricone schuf mit seinem eingägingen Mundharmonikamotiv den Western Soundtrack schlechthin. Der GJO-eigene Cowboy Florian Stürzer brilliert beim düsteren, gefährlichen Western Motiv und zaubert nicht nur dem Publikum Gänsehaut über den ganzen Körper. Im zweiten, nicht weniger bekannten Teil dieser Filmmusik stehen unsere Hörner Benjamin Engl und Johannes Schönwälder, sowie Jonathan Wiedemann an der E-Gitarre im Zentrum. Mächtig, eindrucksvoll und bedrückend wird hier die Szene des Gangs zum Galgen vertont. Die Spannung der Filmszene wird verdeutlicht durch die omnipräsente Galgen-Schlinge, die nun mittig über dem Orchester thront.

Nicht weniger bedrückend, aber doch ganz anders ist die Hintergrundgeschichte des Films "Dangerous Moonlight" aus dem Jahr 1941, in welchem die frühen Jahre des zweiten Weltkrieges behandelt werden. Komponist Richard Addinsell komponierte das Warschauer Konzert, ein klassisches Klavierkonzert für ein Sinfonieorchester, welches sich perfekt in die Handlung des Films einfügt. Jakob Skudlik am Klavier und das Grafinger Jugendorchester stellen bei diesem Werk einmal mehr unter Beweis, welche große Qualität sich auf individueller sowie auf Ensembleebene in diesem Verein findet. Das rund zehnminütige Werk ist das Finale der ersten Konzerthälfte.

"Philipp, zieh doch einfach den rot-weiß karierten Anzug an, den ich dir gegeben habe..."

(Thomas Gottschalk

Die zweite Hälfte beginnt noch energievoller als die erste endete: bei Stampede glänzt Teresa Hausjell an der Geige, umringt von 5 Djemben spielt sie auswendig in atemberaubender Geschwindigkeit und peitscht das ganze Orchester zu Höchstform. Insbesondere die Bläser werfen nicht nur musikalisch alles in den Ring, sie stehen gegen Ende des Stücks auf und performen nun auch ihre Lieblingschoreo. Nach diesem kraftvollen Beginn der zweiten Hälfte dürfen natürlich ein Paar Worte vom Moderator nicht fehlen - Philipp Gassert ist aber unschlüssig was er denn jetzt anziehen soll. Er versucht ja stets etwas modisches, gern auch auffälliges zu tragen, wie etwa seinen roten oder weißen Anzug. Ohne klare Idee greift er zum Telefon und ruft niemand geringeren als Thomas Gottschalk an - die prompte Antwort lautet: "Philipp, zieh doch einfach den rot-weiß karierten Anzug an, den ich dir gegeben habe. Ich muss sagen, er fehlt mir schwer in meiner Sammlung. Einer der wenigen Anzüge, die mir noch passen...". Keine 10 Sekunden später stürmt folglich unser Moderator mit dem original Gottschalk Anzug unter tobendem Applaus auf die Bühne. Philipp Gassert erzählt also wie er Thomas Gottschalk in München nach einem unauffälligen Verfolgungsmanöver ganz unbehelligt entgegenkommt und die Bitte um einen Anzug für die GJO-Konzerte ausspricht. Nach einer kurzen Musterung ("kommt das größentechnisch denn ungefähr hin?") willigt Gottschalk ein - zwei Wochen später liegt der Anzug daheim in Ebersberg. Abschließend wettet Philipp Gassert, dass das Konzert jetzt noch mehr Schwung aufnimmt und das Orchester noch mehr Gas gibt. Gesagt, getan!

Bei Moonriver, von Henry Mancini, wird das Publikum versetzt in eine andere Zeit, in ein anderes Land, voller Gefühle und Emotionen. Julius Gassert an der Trompete verzaubert das Publikum und lässt es in Gedanken und Träumen schwelgen, bei zarten, aber kraftvollen Orchesterklängen. Auch direkt im Anschluss ertönt mit dem Harry Potter Medley - namhafte Komponisten wie Nicolaas Hooper, Alexandre Desplat, Patrick Doyle, allen voran aber John Williams sind hier für die Noten verantwortlich - ein absoluter Filmklassiker. Ohne Pause geht es also weiter für die Trompeten, aber insbesondere sonst vielleicht manchmal versteckte Instrumente, wie etwa Josephine Schackows Harfe lassen die Zuhörer in die magische, düstere, gefährliche Welt von J.K. Rowling eintauchen. Absoluten Wiedererkennungswert bieten die Mallets, insbesondere das charakteristische Glockenspiel bei "Hedwigs Theme", bravurös gespielt vom zweiten Schackow im Bunde, Johannes. Das gesamte Orchester ist gefragt: wirbelnde Geigen bei "The Weasley Stomp", emotionale Klarinetten bei "Lily's Theme", famose Querflöten bei "Dumbledores Farewell" und viele mehr begeistern durch und durch. Zehn Minuten lang windet sich das Orchester durch das magische Schloss, kämpft sich unerbittlich durch die düstersten Orte rund um Hogwarts und lässt nach einem heroischen Finale das Publikum in einer Mischung aus ungläubigen Staunen und überschwänglicher Begeisterung zurück.

Nicht weniger großartig, aber aus einer völlig anderen Richtung kommt anschließend I Wanna Be Like You daher, gesungen und getanzt im Duett von Matthias Reinelt und Philipp Gassert, begleitet durch den wohl genialsten Dschungelchor, bestehend aus Florian Stürzer, Timotheus Lass, Elisabeth Bockler und Paula Gilg. Lässig, locker, cool - so entspannt trällern die beiden Sänger durch Moglis Dschungelbuch, begeistern mit Witz und Charme - auch dahinter geht es richtig zur Sache: insbesondere die Blechbläser, allen voran Brigitte Hacker an der Posaune mit verschiedenen Soli, aber auch die Trompeter Julius Gassert und Lukas Nißl verleihen der Nummer den nötigen Drive und außerordentliche Dschungelgeräusche, von Flatterzunge über Glissandi und halb-gedrückte Ventile ist alles dabei.

Nach dieser fetzigen BigBand Nummer kommt der Saal nochmal zu Ruhe, Larissa Senior singt die Soul-Jazz Ballade If I Ain't Got You von Alicia Keys und gibt gefühlvoll den Ton an, während sich das Orchester federweich unter ihre großartige Stimme legt.

Nach diesen letzten ruhigen Minuten des Abends geht es also in den Endspurt: bein einem Filmmusik-Konzert darf Fluch der Karibik nicht fehlen. Jedoch spielt das GJO nicht den extrem bekannten ersten Teil, sondern Musik aus dem vierten Film - natürlich melodisch vertraut, aber eben doch etwas Anderes, Neues. Bei Pirates of the Carribbean - At Worlds' End sind alle Orchestermitglieder gefragt, eingeläutet vom jüngsten GJO-Mitglied Marie Sieben und mächtiger Percussion ertönen dann wilde Piratenklänge, gespielt von allem was Blech hat oder glänzt, zwischendurch eine Cello Einlage von Helena Peschel, die verspielt die Verrücktheit des berüchtigten Captain Jack Sparrow zur Schau stellt, bis hin zum zarten, gefühlvollen Klarinettensolo von Anna Napieralla bei "I See Dead People in Boats". Mit einem furiosen Finale, das nochmal das gesamte Können von Streichern bis Posaunen, von Querflöten bis Bassisten zur Schau stellt beendet das GJO den Abend der Filmmusik.

Das Publikum wird dann verabschiedet durch die letzte offizielle Nummer I Will Survive von Gloria Glaynor, die zum Mitklatschen und Mitsingen animiert - der Alte Speicher tobt. Anschließend gibt es noch eine letzte Zugabe, mit Catgroove von Parov Stelar packt das GJO einen alten bekannten Hit aus, der das Publikum in Ekstase und gute Laune für den Heimweg versetzt.

Der Vorbericht in der Süddeutschen Zeitung.

Der Nachbericht in der Süddeutschen Zeitung.

Sonderartikel über den original Thomas Gottschalk Anzug. (SZ Plus)

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